Geschichte
Vo geschter bis morn –
Die Geschichte der Narrenzunft Honolulu
Aktenkundig seit 1853
Die Geschichte der Narrenzunft Honolulu ist eng verknüpft mit der Geschichte der Solothurner Fasnacht, deren Wurzeln bis ins 14. Jahrhundert reichen. Die grosse Zeit der neueren Solothurner Fasnacht begann aber erst mit der Gründung der „Faschingsgesellschaft Honolulu“, die seit 1853 aktenkundig ist und sich seit 1862 Narrenzunft Honolulu nennt. Die aktiven Zunftmitglieder treffen sich seit 1888 jeweils am 13. Jänner (Hilari) zur Generalversammlung und zur Absetzung des Stadtpräsidenten bzw. der Stadtpräsidentin. Bis zum Fasnachtsende am Aschermittwoch amtet danach der Ober (Zunftmeister) als Stadtoberhaupt.
Die Statutenverbrennung von 1947
Die Gründung der Narrenzunft Honolulu gehört zu den fasnächtlichen Erneuerungsbewegungen aus dem Bürgertum, die Mitte des 19. Jahrhunderts im gesamten süddeutschen Raum zu beobachten sind. Die Narrenzunft jener Zeit repräsentiert die damaligen politischen Machtverhältnisse: Ihre Mitglieder stammten alle aus dem gut situierten Bürgertum und gehörten mehrheitlich, jedoch nicht ausschliesslich dem liberalen Flügel an. Zunächst war die Zunft wie ein Verein mit Statuten und Generalversammlung organisiert. 1928 wurden die Statuten noch einmal erneuert, um dann aber 1947 feierlich verbrannt zu werden. Fasnacht als „verkehrte Welt“ wurde nun wörtlich genommen. Freilich weniger in einem radikal anarchischen Sinne als vielmehr als kurzlebiger Entwurf einer Gegenwelt zum real existierenden Alltag.
Die Narrenzunft Honolulu ist mitunter antidemokratisch, emanzipationsimmun und traditionsversessen, dies jedoch nicht im rückwärtsgewandten Sinn, sondern beseelt vom Bierernst, sich selber ad absurdum zu führen. Sie ist gewissermassen ein Verein, der eine Zunft sein will, also etwas, was es im rechtlichen Sinne gar nicht gibt; sie hält zwar Sitzungen ab, führt darüber jedoch kein Protokoll. Diesem Verein kann man nicht beitreten, man wird angefragt. Der Weg in den Kreis der Zünftler führt über den Stuhl, auf den man als „Stieger“ steigen muss, um auf dem Hilari-Rundgang einen Teil des Programms zu bestreiten. Die Zunft verlässt man ebenso vom Stuhl aus an einem Aschermittwoch.
Die Generalversammlung der Narren
Die Generalversammlung der Narrenzunft findet seit 1888 im Restaurant Zum alten Stephan statt. Anschliessend ziehen die Narren durch weitere Gaststätten, wo sie Spottlieder und -verse zum Besten geben. Traditionell führt der Rundgang vom Stephan in die „Krone“, den „Roten Turm“ und zuletzt in die „Wirthen“. Begleitet wird die Zunft von der Hilari-Musig und den Tambouren. Als Insignien tragen die Zünftler das Narrenzepter, die Narrenglocke, die Narrenlaterne und das blecherne Buch mit sich. Gekleidet sind sie in ein grünes Gewand, das einer Nachtwächteruniform des 19. Jahrhunderts nachempfunden ist.
Dieser Beizenrundgang entstand während des Zweiten Weltkrieges, als viele Fasnachtsaktivitäten von den Behörden unterbunden wurden. Aus der ursprünglich fingierten und humoristisch unterfütterten Generalversammlung ist in den 1960er Jahren ein beinahe kabarettistisches Abendprogramm geworden. Ein solches wird auch am Aschermittwoch auf einem ähnlichen Rundgang geboten, wobei der Ober im verdunkelten Saal der letzten Gaststätte die Zunftlaterne und damit die Fasnacht auslöscht.
Zünftler Beat Willy Wyler „steigt“ am Hilari 2013 auf dem Beizenrundgang im „Stephan“.
Honolulu – wer ist das…?
Die Narrenzunft Honolulu besteht aus den Narren (aktive Zünftler), den Ehrennarren (ehemalige aktive Zünftler), den Lulus („Gesellen“), den Ehrenlulus (besonders verdiente „Gesellen“) und den „Mitläufern“. Gesamthaft sind es über 70 Personen, die für die vielfältigen Aktivitäten vor und während der Fasnacht verantwortlich zeichnen.
Immer am Hilari wird die Rathausgasse für die Fasnachtszeit in Eselgasse umbenannt.
…und was machen die?
Zu den Engagements der Narrenzunft gehören unter anderem die Organisation und Durchführung der traditionellen Fasnachtsanlässe wie Hilari, Chesslete, Kinderumzug, Kostümball Ballzillus und Böögverbrennen sowie die Herausgabe der Fasnachtszeitung Postheiri und natürlich die Teilnahme mit einem eigenen Wagen an den beiden grossen Umzügen. Entsprechend gibt es verschiedene Ressorts von den Wagenbauern über die „Gringiers“ bis zur Postheiri-Redaktion.
Die Chesslete ist einer der grossen Anlässe, welche die Narrenzunft Honolulu organisiert. (Bild: Solothurner Zeitung 2023)
Umzüge
Fasnächtliche Umzüge fanden in Solothurn schon früh statt. Dokumentiert, aber nicht näher beschrieben ist ein von der Narrenzunft Honolulu organisierter Faschingszug von 1853. Sieben Jahre später folgte der Umzug „Hilarius Immergrün“. Die Zunft schrieb noch bis in die 1930er Jahre hinein jeweils ein Thema aus und lud interessierte Gruppen und Vereine ein, am Umzug teilzunehmen. Teilweise konnte man Umzugsskizzen für einen Wettbewerb bei der Zunft einreichen, wobei als festgeschriebene Nummer jeweils der „Prinz Carneval“ mitfahren musste (letztmals 1939). Fasnachtsumzüge fanden bis ins 20. Jahrhundert in einem unbestimmten, nicht jährlichen Turnus statt – nicht zuletzt wegen der hohen Kosten. Bereits in frühester Zeit nahmen die Umzüge tagesaktuelle Themen auf: Der Besuch des Schahs von Persien in Europa (1874), die Olympiade in St. Moritz (1928) oder die Geistige Landesverteidigung (1939). Nach und nach widmete sich die Narrenzunft Honolulu eher lokalen Themen und spiegelt damit bis heute die Lokalgeschichte. Prominente Themen waren: der Neubau des Bürgerspitals (1965), die verkehrsfreie Innenstadt (1973), der Abendverkauf (1976), die von Lobbyisten gesponserte Spanienreise des Regierungsrates (1984) oder die Einführung der Grünabfuhr (1988).Der Postheiri
Der Postheiri ist die älteste Fasnachtszeitung von Solothurn. Die Postheiri-Ausgaben spiegeln die Ereignisse in und um die Stadt anders zwar als eine Chronik, jedoch nicht minder präzise. Der Postheiri wurde ab 1845 von Alfred Hartmann (1814-1897) verfasst – damals noch nicht als Fasnachtszeitung, sondern als national bekanntes Satiremagazin. Hartmann war Schriftsteller und gehörte zu den prägenden intellektuellen Figuren der Stadt. So gründete er nicht nur die Töpfergesellschaft, einen liberalen Vortragszirkel, sondern prägte auch die Fasnacht. Im Postheiri erfand er spätere Fasnachts-Figuren wie Hilarius Immergrün und dessen Tochter Elisi, welche Solothurn und die Welt satirisch kommentierten. Ab 1872 ist Hartmann in den Protokollbüchern als Mitglied der Narrenzunft Honolulu fassbar, zu deren Ehrenpräsident er erkoren wurde. 1875 beendete Hartmann seine Arbeit für den damals wöchentlich erscheinenden Postheiri; im gleichen Jahr erschien der erste Nebelspalter. Die erste Fasnachtzeitung aus dem Umfeld der Narrenzunft Honolulu erschien 1879 unter dem Titel Cronika Curiosa Scandalosa Honolulensis. Ihr folgten der Honolulesische Ghüderkübel (1903), das Honolulesische Extra-Narren-Blatt (1908), das Solothurner Extra-Narrenblatt (1909), das Honolulesische Narren-Blatt (1913) und die Honolulesische Narren-Zeitung (1914). Seit 1921 erscheint die Honolulu-Fasnachtszeitung unter dem Namen „Postheiri“.Maskenbälle im Wandel der Zeit
Seit dem 18. Jahrhundert kennt Solothurn eine ausgeprägte Ballkultur. Fasnacht war insbesondere eine Kostümball-Zeit. Nachdem die Narrenzunft Honolulu im 19. Jh. die Fasnacht auf den Gassen gefördert hatte, nahm sie sich ab 1901 auch der Maskenbälle an. Im neu eröffneten Saalbau (Konzertsaal) veranstaltete die Zunft bis 1958 eine lange Serie rauschender Fasnachtsbälle. Das aufwändige Dekor verwandelte teilweise das ganze Gebäudeinnere in das Reich Neptuns oder Maharadschas oder in Paris. Die Maskenbälle waren lange weniger ein Volksfest als gesellschaftliche Ereignisse für den gehobenen Mittelstand. Es galten bestimmte Regeln: Konfetti und Papierschlangen waren verboten, Herren hatten im dunklen Anzug und Frauen maskiert zu erscheinen, man bekam Sitzplätze zugewiesen. Bis zur mitternächtlichen Polonaise durften nur die maskierten Frauen zum Tanz auffordern – mal den eigenen, mal den fremden Ehegatten, was man „Intrigieren“ nannte. Die Bälle im Konzertsaal stiessen auf so grosse Resonanz, dass sie in den 1920er Jahren teilweise zweimal pro Fasnacht über 1000 Leute anzogen und unter Beteiligung von prominenten Gästen wie dem Kunstmaler Ferdinand Hodler stattfanden,. 1959 zog der Ball in das nach einem Brand neu renovierte Landhaus. Ab 1961 wurde die Tradition für 25 Jahre im Bad-Attisholz als „Bedli-Ball“ fortgesetzt. Seit 1989 feierte man den Ball als „Böggefescht“ wieder im Landhaus, wo er noch heute in einer offeneren Form unter dem Namen „Ballzillus“ stattfindet.Chronologie
1853 | erste Erwähnung eines Maskenumzuges der Narrenzunft Honolulu |
1860 | Honolulesischer Faschings-Zug: Hilarius Immergrün |
1865 | ältestes Protokoll (verweist auf Sitzungen von 1862) |
1872 | Neugründung der Zunft (10. Februar) |
1879 | Illustrierte Zeitung der Narrenzunft Honolulu / Chronika Curiosa Scandalosa Honolulu |
1883 | 1. Tagwache |
1885 | erste Nennung der Tagwache als „Kessleten“ |
1888 | Komité-Mitglieder erscheinen im Dienstanzug 1. Hilari im Stephan |
1901 | 1. Maskenball im Konzertsaal |
1903 | Honolulesischer Ghüderchübel |
1908 | Honolulesisches Narrenblatt |
1915 | Kalatz (Kakao) und Brot für Chessler |
1921 | Postheiri |
1928 | Neufassung der Satzungen |
1928 | 1. Böög |
1947 | Statuten verbrannt |
1959 | Ball im Landhaus |
1961 | Ball im Bad Attisholz |
1975 | Zunftstube „Altwyberhüsli“ |
1987 | Ball im Zunfthaus zu Wirthen |
1989 | 1. Böögefescht im Landhaus |
1990 | Verleihung Kulturpreis Kanton Solothurn |
2000 | 1. Ballzillus |
2005 | Wagenbauhalle Selzach |